VKS 4.5 – Falsche Ausrichtung der Tatkamera führt zur Einstellung des Verfahrens

HMS Gutachter (fs) HMS Aktuell

Die Kamera muss von einem festen, mindestens 3 m über der Fahrbahnoberfläche liegenden Kamerastandort Bilder aufnehmen. In der Regel wird der Messplatz vor einer Brücke eingerichtet, da der Aufbau der Kamera auf der Brücke diese Anforderung üblicherweise erfüllt.

Der definierte Fahrbahnabschnitt wird im Rahmen der Einrichtung der Messstelle mit sogenannten Pass- und Kontrollpunkten versehen. Dabei handelt es sich um Farbmarkierungen, die in einem definierten Längs- und Querabstand auf der Fahrbahn aufgebracht werden. Sowohl die Geschwindigkeiten als auch die Abstände zwischen zwei Fahrzeugen werden mithilfe einer perspektivischen Transformation der im Videobild digitalisierten Fahrzeugpositionen berechnet.

Abbildung 1 zeigt links eine schematische Skizze eines Straßenabschnitts mit den Pass- und Kontrollpunkten sowie ein typisches Einzelbild einer VKS-Aufzeichnung.

In der Gebrauchsanweisung des Messsystems sind die konkreten Anforderungen an die Messstelle beschrieben. So muss etwa der Abstand zwischen Passpunkt 1 und Passpunkt 2 und Passpunkt 3 und 4 zwischen 80 m und maximal 250 m liegen.  Der Abstand zwischen dem Passpunkt 1 und dem Kontrollpunkt 1 bzw. Passpunkt 4 und Kontrollpunkt 2 beträgt mindestens 40 m und darf höchstens die Hälfte des Abstandes zwischen Passpunkt 1 und 2 aufweisen. Der Abstand zwischen den Passpunkten 1 und 4 sowie 2 und 3 und zwischen den Kontrollpunkten 1 und 2 muss zwischen 2 m und 50 m liegen.

Für eine ordnungsgemäße Ausrichtung der Kamera ist es neben der Einhaltung der Mindestaufstellhöhe erforderlich, dass die Passpunkte 1 und 4 im unteren Bilddrittel gelegen sind. Ferner ist bei der Ausrichtung der Kamera sicherzustellen, dass die Passpunkte 2 und 3 in der oberen Bildhälfte zu verorten sind, um eine akzeptable Auswertetiefe zu erreichen.

In einem aktuellen Fall wurde dem Betroffenen eine Abstandsunterschreitung von weniger als 3/10 des halben Tachoabstandes vorgeworfen. Die Messung wurde durch das hiesige Sachverständigenbüro hinsichtlich der Korrektheit überprüft. Dabei musste festgestellt werden, dass die Kamera jedoch nicht ausreichend im Nickwinkel nach unten justiert wurde, sodass die Passpunkte 2/3 unterhalb der oberen Bildhälfte dargestellt waren. Durch diese Ausrichtung wurden die Anforderungen an den Messplatz nicht erfüllt.

Folglich konnten Einflüsse aufgrund der deutlich zu geringen Auswertetiefe auf die Geschwindigkeit und damit auch auf die berechneten Abstände nicht ausgeschlossen werden, was die Verwertbarkeit der Messung infrage stellte.

Abbildung 2 zeigt die Ausrichtung der Tatkamera für den gegenständlichen Messeinsatz.

Um eventuell zusätzlich anzusetzende Toleranzen eingrenzen zu können, wären umfangreiche Versuchsreihen mit unterschiedlichen Ausrichtungen der Tatkamera erforderlich. Diesen Aufwand wollte das Gericht nicht betreiben, sodass das Verfahren gegen den Betroffenen eingestellt wurde.

Dabei ist auch anzumerken, dass die Messrichtigkeit nur dann angenommen werden kann, wenn eine bestimmungsgemäße Verwendung des Messgerätes vorliegt. Durch das Nichtbeachten der Herstelleranweisung zur Einrichtung der Messstelle für den gegenständlichen Messeinsatz konnte eine bestimmungsgemäße Verwendung nicht bestätigt werden.

Dieser Praxisfall zeigt, dass eine unabhängige technische Überprüfung helfen kann, unberechtigte Tatvorwürfe aufzudecken und diese abzuwenden. Auch wenn die moderne Mess- und Überwachungstechnik bereits auf einem technisch sehr hohen Niveau einzuordnen ist, können insbesondere menschliche Fehler des Bedienpersonals bei der Einrichtung der Messstelle, Aufbau des Systems und bei der Auswertung der Vorlagendatensätze zu beurteilungsrelevanten Fehlern führen.