Messtechnik: Auffälligkeiten in Messdaten gefunden

HMS Gutachter (eb) HMS Aktuell

Messdaten als „Behördenausdruck“ sind kein originäres Beweismittel

Bei Messungen mit Vitronic PoliScan (PoliScanspeed, M1, F1, FM1, etc.) werden in der Messdatei fünf Messinformationen in Form von Entfernungsmesswerten und Zeitindexen gespeichert. Mit deren Hilfe wird die gemessene Geschwindigkeit auf Plausibilität hin geprüft. Darüber hinaus kann geprüft werden, ob die zur Messung beigetragenen Einzelmessungen innerhalb des zulässigen Messbereichs liegen. Bei etwaigen Verstößen erfolgte die Messung nicht entsprechend der Bauartbeschreibung, was die Zulässigkeit der Messung in Frage stellt. Dieser Auffassung folgen auch einige Gerichte, die bei etwaigen Verstößen regelmäßig mit einer Einstellung des Verfahrens reagieren. 

Um entsprechende Überprüfungen vornehmen zu können sind daher die Messdaten aus der digitalen Messdatei zu extrahieren. Hierzu ist beispielsweise das Referenzauswerteprogramm TuffViewer notwendig. Um die Messdatei verarbeiten zu können sind zudem ein Messgerätespezifischer Softwaretoken und ein Gerätepasswort erforderlich. In einigen Fällen wird aber seitens der Behörde nicht die digitale Messdatei mit dem Token und dem Passwort zur Verfügung gestellt, sondern alternativ nur ein Ausdruck der Messdaten. 

Wie sich nunmehr aber herausstellte, kann einem solchen Ausdruck der Messdaten nicht blind vertraut werden. Die Messdaten werden durch das Auswerteprogramm als XML-Datei gespeichert. Diese Datei kann mit jedem üblichen Texteditor verändert werden, ohne dass diese Änderungen in irgendeiner Form ersichtlich sind. 

Bei einer Messung mit dem Vitronic PoliScan FM1 wurde ein solcher Behördenausdruck der XML-Datei vom Landkreis Nordwestmecklenburg im Rahmen der Akteneinsicht zur Auswertung zur Verfügung gestellt. Dieser Ausdruck wurde auch durch uns ausgewertet und in einer gutachtlichen Stellungnahme mit dem Hinweis verarbeitet, dass keine Aussagen zur Authentizität der Messdaten getroffen werden können. Es wurde angeregt die digitale Messdatei in Ergänzung auszuwerten um die Ausführungen zu verifizieren. Diese wurde sodann auch wenige Wochen später mit dem zugehörigen Token und Passwort, welche separat beim Landesamt für Mess- und Eichwesen Berlin-Brandenburg angefordert wurden, zur Auswertung zur Verfügung gestellt. 

Die Auswertung der Messdaten zeigte, dass alle Informationen in der XML-Datei mit dem behördlicherseits übermittelten Ausdruck der Messdatei identisch waren, bis auf der Entfernungsmesswert bei der ersten Messwertbildung. 

Im Behördenausdruck war der Wert „PositionFirstMeasuremet“ mit x = “49.51“ m angegeben. Bei den eigenständig aus der Messdatei extrahierten Messdaten war „PositionFirstMeasuremet“ hingegen mit x = “50.00“ m angegeben.

Wie sich nunmehr herausstellte handelte es sich hierbei nicht um einen Einzelfall. Auch bei Sachverständigenkollegen sind nunmehr Fälle aufgetreten, bei denen nur der Entfernungsmesswert bei der ersten Messwertbildung verändert wurde. 

Auffällig ist zudem, dass die Messanlage durch die Firma VETRO Verkehrselektronik GmbH betrieben wird. Die VETRO gehört zu VITRONIC, also dem Hersteller.

Durch wen und an welcher Stelle der Prozesskette die XML-Datei verändert wurde, ist bislang unklar und bedarf zwingend einer Aufklärung.

Um etwaige falschen Messinformationen zu umgehen kann sachverständigerseits nur dringend empfohlen werden Ausdrucke der XML-Datei oder auch die bereits extrahierte
XML-Datei nicht zur Auswertung anzuerkennen. Es kann nur einer eigens aus der Messdatei extrahierten XML-Datei Vertrauen geschenkt werden, da nur die originale digitale Messdatei als originäres Beweismittel zulässig und anerkennungsfähig ist.

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B. Eng. Fabian Schwarz

Sachverständiger für Verkehrsmesstechnik und Unfallanalytik

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